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LIMIT SKILLS Blog zum Buch

„Der Wahrnehmungsmuskel des Designers ist besonders trainiert.“

Michael Mauer, 57, ist nicht nur der Designchef von Porsche, der die Panamera-Linie erfand. Er ist gleichzeitig im Volkswagen-Konzern für die Gestaltung aller zwölf Marken verantwortlich, darunter Audi, Bugatti, Lamborghini und Škoda. Er spricht von „interessanten Zeiten“ für die Branche. Denn technische Entwicklungen wie Elektroantrieb, Autonomes Fahren, Vernetzung und Car-Sharing beeinflussen radikal das Aussehen der Fahrzeuge und damit über die erfahrbare Wirklichkeit auch die Positionierung von Marken.

 

Mal was ganz anderes: Was ist dein Credo im Sport?

Was ich auch immer gemacht habe, beruflich wie sportlich, war, die Dinge hundertprozentig zu machen - anzugehen. Nach dem Motto "Wenn ich etwas mache, dann mache ich es richtig". Oder ich muss mich vorher entscheiden, es gar nicht erst zu machen. Skifahren ist meine große Passion. Ich bin im Südschwarzwald aufgewachsen und damals kam das Thema Trickskifahren auf. Ich habe dann auch damit angefangen. Dann kam noch Snowboarden dazu. Beides beherrschte ich durchschnittlich, aber nicht sehr gut. Und bin beim Skifahren geblieben, weil ich nur das richtig gut konnte. Daher gibt es für mich die Grundregel: Lieber wenige Dinge machen, diese aber richtig. Eine weitere Grundregel lautet: „Nicht die Schwächen bekämpfen, sondern die Stärken auszubauen.“ In der Schule war ich immer grottenschlecht in allem, was mit Sprinten und Sprungkraft zu tun hat. Auf den Langstrecken kam ich jedoch gut zurecht. Die lagen mir. Da habe ich mich auf die 5.000 Meter konzentriert und die 100 Meter einfach vernachlässigt. "Wer gegen seine Schwächen kämpft bekämpft sich selbst". Das ist Selbstsabotage. Ich plädiere daher für vernünftiges Selbstmanagement.

Und wie setzt du das um?

Es gehört eine gute Portion Gelassenheit und auch ein Stück Gottvertrauen dazu, nach dem Motto: „Das Universum wird es schon richten.“ Ein Freund sagte mir einmal, er kenne niemanden, der in einer derartigen beruflichen Position so entspannt wirken würde. Daraus schließe ich: Wenn du die Dinge gut machst und Freude daran hast, dann wird auch was daraus werden. Meine Frau wird beispielsweise häufig gefragt : „Wie gehst du damit um, dass er zwei Wochen auf eine Skitour ins Hochgebirge geht?“ Dann sagt sie immer: „Naja, also wenn etwas passieren sollte, dann ist es halt so. Dann kann ich das eh nicht ändern, wenn ich ihm vorher noch die Hölle heiß mache." Und ich habe Freunde, die sind schon umgedreht, weil ihre Frauen dreimal angerufen und vor Lawinengefahr Stufe III gewarnt haben.

Welchen Ausgleich findest du zu den extremen Anstrengungen – im Beruf?

Das habe ich schon immer gut gekonnt: Einfach mal einen Tag nichts zu machen. Nichts machen heißt, auch einfach mal in die Berge gucken oder auf der Terrasse liegen und ein Mittagsschläfchen zu halten. Ich habe Thomas Bubendorfer und Uli Schweizer kennengelernt und die haben mir erklärt, was es bedeutet, wenn du immer im roten Bereich trainierst. Ich habe schon immer gefühlt, dass das nicht meine Welt ist. Es gab bei uns im Schwarzwald einen sogenannten Triathlon aus Hornschlittenfahren, Ski Alpin und Skilanglauf. Mein Freund Ralph war da immer weit vorne. Sein Credo war es: „Nach dem Training musst du dich übergeben. Dann warst du am Limit.“

Mein Credo war das nicht, aber dennoch habe ich mich des Öfteren total verausgabt.

Verausgabt hast du dich auch auf dem Rad…

O ja. Über drei, vier Jahre bin ich extrem viel Rennrad gefahren. Mir hatte es gestunken, wenn ich am Wochenende bei mir im Schwarzwald unterwegs war, dass da Leute an mir vorbeigefahren sind. Dann habe ich trainiert, aber die sind immer noch an mir vorbeigefahren. Dann bin ich in den Alpen gefahren und dann sind noch mehr an mir vorbeigefahren. Dann dachte ich, das muss ich jetzt schleunigst ändern. Damals bin ich 2000 oder 3000 Kilometer im Jahr gefahren. Ich habe mir vorgenommen, dieses Jahr 10.000 Kilometer zu fahren. Und ich habe das durchgezogen. Aber ich habe mich einfach schlecht und müde dabei gefühlt. Thomas Bubendorfer und Uli Schweizer haben mir dann erklärt, was ich schon immer gefühlt habe: Dass das, was ich tue und wie ich es tue, nicht mit meiner Person zusammengepasst. Dann habe ich umgestellt. Jeden Tag eine Stunde fahren, das sind 365 Stunden pro Jahr. Und ich führe ein Trainingsbuch. Die beiden haben mich gecoacht und auch Erholungsmessungen gemacht. Das mache ich jetzt, und es funktioniert ganz gut.

Wozu dient ein Trainingsbuch?

Ich versuche damit, mein Training effizient zu gestalten: Wie kann ich den Output optimieren und maximieren. Dabei geht es auch um Fitness und Gesundheit. Ich sage mir, wenn die Leute einfach fit und gesund sind, dann macht ihnen die Arbeit mehr Spaß, dann sind sie positiver drauf und liefern bessere Ergebnisse ab. Es geht darum, Trainingszusammenhänge besser zu verstehen. Ich möchte mich schließlich gut und nicht ausgepowert fühlen. Und es geht auch um die Erkenntnis, dass es immer irgendwo jemanden geben wird, der besser ist als du. Das musst du einfach akzeptieren. Auch mal jemanden vorbeiziehen lassen und sich sagen: „Ich weiß ja nicht, in welchem Pulsbereich der trainiert. Oder was der gerade macht. Ist der in der Regeneration oder im Aufbau? Keine Ahnung“. Aber dafür habe ich lange gebraucht.

Stellt sich mit zunehmender Erfahrung vielleicht so etwas wie ein Bauchgefühl ein?

Ich bin der festen Überzeugung, dass man ein Bewusstsein und ein Unterbewusstsein hat. Man muss seinem Unterbewusstsein Räume und Zeiten schaffen, damit es Dinge verarbeiten kann. Im Unterbewusstsein werden die Dinge miteinander verknüpft und dann fällt dir praktisch die Lösung vor die Füße.

Was bedeutet für dich Erfolg?

Das englische Automagazin „Car“ hat die fünfzig einflussreichsten Automobildesigner ausgewählt. Da bin ich auf Platz 1 gelandet. Erstens war ich überrascht und zweitens war ich dann über mich selbst überrascht, weil ich so überrascht war… Obwohl: Eigentlich ist es ja wenig überraschend, wenn du der Konzerndesignchef des größten Automobilunternehmens der Welt bist. Was mich wahrscheinlich mehr genervt hätte ist, wenn ich auf Platz 5 gelandet wäre und von den vier vor mir Gelandeten denken müsste: „Das verstehe ich jetzt gar nicht, warum die da vorne sind." Das war bei mir im Sport genauso.

Welche Rolle spielen für dich Mut und Risiko?

Man braucht beides im Leben. Das eine ist es, die Dinge nicht zu verkomplizieren und sie einfach zu machen. Oder eben auch einfach mal den Mut zu haben, überhaupt etwas zu machen und sich nicht von möglichen Konsequenzen abhalten zu lassen. Ich habe im Leben manchmal im Nachhinein gedacht, da hättest eigentlich mutiger sein können. Das war auch im Sport beim Skifahren so. Ich stand öfter vor Situationen, in denen ich hätte mehr erreichen können. Das dachte ich jedenfalls. Dann habe ich es einfach gemacht und war danach total erstaunt, wie gut es geklappt hat.

„Lieber weniger Dinge angehen, dafür aber richtig.“


Was bedeutet für dich der Begriff „Grenze“?

Ich glaube, ich hätte manches Mal tatsächlich mehr erreichen können, aber mich beschäftigt auch das Thema Grenzkompetenz. Mit mehr und mehr Wissen sichert es dir das Überleben, aber es führt natürlich auch dazu, dass du dir selbst weniger zutraust oder über die Gefahr, die daraus entstehen könnte, nachdenkst. Was dich aber auch daran hindert, bestimmte Dinge zu machen. Das ist, sich an einer Grenze entlang zu bewegen. Wie heißt es so schön? Gehe weit genug, aber nicht zu weit.

Es gibt diese typischen Slogans wie "Es gibt keine Grenzen" oder "No Limits - reiße deine Grenzen ein" oder "Wenn du willst kannst du alles erreichen" oder "Ich schicke meinen Wunsch ins Universum und dann finde ich meinen Parkplatz". Was hältst du davon?

Da bin ich hin- und her gerissen. Eigentlich möchte ich daran glauben. Die Fantasie ist unbegrenzt. Du selbst – du kannst dir alles vorstellen. Ich habe immer alles, was ich mir vorgenommen habe, mit dem Anspruch der Hundertprozentigkeit gemacht. Ich bin auf einem Kuhdorf aufgewachsen. Ich habe Abitur gemacht und das sogar gut. Weil ich mir selbst beweisen wollte, dass ich es kann. Ich habe einfach die letzten zwei Jahre Vollgas gegeben. Ich habe Kurse gewählt, von denen ich heute keine Ahnung mehr habe. Ich wollte mir lediglich bewiesen, dass ich alles schaffen kann, wenn ich es wirklich möchte.

Was könnten Extremsportler von einem Automobildesigner lernen?

In einem Satz? Die vollkommende Offenheit in alle Richtungen am Anfang. Etwas differenzierter: Sich fokussieren zu können und ein gutes Gespür für das Thema zu entwickeln; zu erkennen: Wo sind deine Stärken und wo sind deine Schwächen? Und schließlich die Effizienz. Man muss sich natürlich auch fragen: Was können Designer? Ich habe gesagt, sie sind die empathische Instanz im Unternehmen. Also, wir haben ganz andere Sensoren, die eben nicht auf Daten und Fakten basieren. Sondern auf Wahrnehmung, Mimik, Gestik und was sonst noch alles im emotionalen Bereich passiert. Dann setzen wir Designer all diese Bausteine zusammenzusetzen und lassen etwas Neues daraus entstehen.  Der Marken- und Kommunikationsberater Michael Köckritz, ein echter Porsche Fan übrigens, hat gesagt: "Das ist ja wie ein Muskel von einem Sportler. Der trainiert auch bestimmte Muskeln. Und der Wahrnehmungsmuskel des Designers ist besonders trainiert.“

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Limit Skills. Die eigenen Grenzen respektieren, testen, überwinden

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Der Speaker, Coach und Bestsellerautor Dr. Michele Ufer ist international gefragter Experte für Sport- und Managementpsychologie und erfolgreicher Ultramarathon-Läufer.

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